9. Nationale Versorgungskonferenz Hautkrebs: Interessante Vorträge und Diskussionsrunden lockten zahlreiche Besucherinnen und Besucher nach Berlin

Die diesjährige Nationale Versorgungskonferenz Hautkrebs, die am 8. und 9. Februar 2023 als Präsenzveranstaltung in Berlin stattfand, versammelte 80 Teilnehmende aus der Dermatologie, weiteren Fachdisziplinen, Verbänden, Entscheidungsträgern und Patientenvertretungen. In diesem Jahr standen die Themen „Langzeitüberleben nach Hautkrebs“ und „Hautkrebs und Telemedizin“ im Mittelpunkt. An beiden Konferenztagen wurde viel Platz für konstruktiven und lebendigen Austausch geboten.

Am ersten Konferenztag widmeten sich die Arbeitsgruppen der Handlungsfelder und Querschnittsthemen ihren Projekten und stellten die neuesten Entwicklungen vor. An diesem Tag kam auch der interdisziplinäre Beirat zusammen, um die Aktivitäten für die nächsten zwölf Monate zu planen.

Zu Beginn des zweiten Tages stellte der Vorsitzende des NVKH e.V., Prof. Dirk Schadendorf, den Verein und dessen Aktivitäten vor. Mit Stolz wies er darauf hin, dass das Netzwerk in den letzten Jahren über 35 Projekte konzipiert und umgesetzt hat. Nach dem Grußwort von Markus Wartenberg (Deutsche Sarkom-Stiftung & Nat. Patienten-Beirat NCT-Netzwerk) führte Christiane Poertgen durch die Veranstaltung.

Die Aufzeichnung der Veranstaltung ist unter folgendem Link abrufbar: https://nvkh.de/media/video.

Bildergalerie zur Veranstaltung

„Umgang mit Sorgen und Ängsten“ lautete der Titel des ersten Vortrags von Prof. Martin Teufel (LVR Universitätsklinik Essen). Er erklärte, dass sich die Betroffenen oft in einem Spannungsfeld zwischen „geheilt, aber nicht genesen“ und „geheilt und genesen“ befinden. Zwar nehme die Melanominzidenz zu, aber dank zielgerichteter Therapien haben sich die Überlebenschancen deutlich verbessert. Behandelnde Ärztinnen und Ärzte müssen genau hinschauen, welche spezifischen Bedarfe der Patient / die Patientin hat. Es gibt nicht den einen Weg, um mit Sorgen und Ängsten in Bezug auf die Erkrankung umzugehen – er ist sehr individuell. Hilfsangebote, wie die Selbsthilfegruppe, sind für viele, aber eben nicht für alle PatientInnen geeignet. Im Rahmen einer Studie (Reduct) wird getestet, in wieweit ein digitales, interaktives Online-Training KrebspatientInnen im Umgang mit krankheitsbezogenen Belastungen durch Achtsamkeitsübungen und kompetenzbasierte Stressreduktion unterstützen kann. Das psychoonkologische Make It Training ist eine selbstgesteuerte und patientenorientierte e-mentale Gesundheitsintervention für KrebspatientInnen zur Bewältigung von Belastungen und zur Verbesserung ihres Wohlbefindens. Es zielt darauf ab, das Emotionsmanagement, die mentale Stärke, die psychologischen Ressourcen, das Stressmanagement und die Selbstwirksamkeit zu verbessern. Um die genauen Bedarfe von Hautkrebs-Betroffenen herauszufinden, wird derzeit die sog. MESSAGE-Studie am WTZ Essen durchgeführt, die dabei helfen soll, entsprechende Unterstützungsangebote für Langzeitüberlebende zu entwickeln.

In der anschließenden Diskussion mit Herrn Teufel und den Patientenvertretern Nils Franck (Melanom Info Deutschland e.V.) und Jörg Erdbeer (SHG Buxtehude) wurde ebenfalls deutlich, dass die Betroffenen unterschiedliche Wege im Umgang mit ihrer Krankheit gehen. Gerade bei Melanom-PatientInnen ist die psychische Belastung sehr hoch und hier zeigen Studien, dass die psychoonkologische Versorgung sehr hilfreich sein kann. Bislang fehlt allerdings ein flächendeckender Zugang, denn es gibt neben Regionen mit einem guten Angebot auch Regionen, in denen solche Hilfsangebote fehlen oder aufgrund der räumlichen Distanz schwer erreichbar sind.

Mit der Frage, wie gesicherte Informationen im Netz zu finden sind und welche Bedeutung Gesundheitsportale haben, beschäftigte sich Rainer Sbrzesny von der Geschäftsstelle des Patientenbeauftragten der Bundesregierung. Der Patientenbeauftragte hat einen gesetzlichen Auftrag, der u.a. die Informationspflicht der Bevölkerung über die Patientenrechte beinhaltet. Zu Beginn seines Vortrages machte Herr Sbrzesny klar, dass durchaus gute Informationsangebote online verfügbar sind. Diese sind aber nicht immer leicht zu finden.

In Deutschland herrscht ein sehr komplexes Gesundheitssystem vor und so sei die sog. Gesundheitskompetenz sehr wichtig. Diese beinhaltet, dass man relevante Gesundheitsinformationen im Netz findet, sie versteht und sie auch anwenden kann. Mit dem Gesundheitsportal des Bundes (gesund.bund.de) gibt es eine erste Anlaufstelle, die aber laut Herrn Sbrzesny noch nicht vollständig sei.

Eine weitere Anlaufstelle im Internet ist Gesundheitsinformation.de. Hier finden Betroffene evidenzbasierte Informationen zu einer Vielzahl von Erkrankungen, wie z.B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Krebs. Die Seite der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) bewegt sich hingegen im Aufklärungs- und Vorsorgebereich. Empfehlenswert sei auch das Angebot des Krebsinformationsdienst (KID) vom DKFZ.

Um gesicherte Informationen im Netz zu finden, hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) einen empfehlenswerten Flyer herausgegeben. Hier werden wesentliche Qualitätsmerkmale für die Suche im Internet genannt, wie die Angabe von (wissenschaftlichen) Quellen und die transparente Darstellung des Seitenbetreibers sowie der beteiligten AutorInnen.

Daran anschließend stellte Dr. Christiane Weber (MEDEA GmbH) das NVKH-Leuchtturmprojekt Infoportal Hautkrebs vor. Hier können Hautkrebsbetroffene wissenschaftlich fundierte und von ExpertInnen geprüfte Informationen zu allen Formen und Phasen der Erkrankung finden. Aber auch Angehörige und Interessierte finden hier ein verlässliches Informationsangebot rund um das Thema Hautkrebs. Alle Artikel im Infoportal Hautkrebs werden von medizinischen Fachleuten verfasst sowie entsprechend dem neuesten Stand der Wissenschaft laufend geprüft und aktualisiert.

In der Diskussion mit Dr. Johannes Schenkel (Unabhängige Patientenberatung Deutschland), PD Dr. Jens Ulrich Rüffer (TAKEPART Media + Science), Prof. Carola Berking (Universitätsklinikum Erlangen), Sarah Richter (Melanom Info Deutschland e.V.) und Martina Kiehl (Hautkrebsnetzwerk Deutschland e.V.) wurde deutlich, dass Informationsportale mehr Sichtbarkeit brauchen, da nur hier Betroffene und Angehörige gesicherte Informationen bekommen können. Trotzdem müsse auch der Unterschied zwischen der jüngeren und älteren Generation beachtet werden. Nicht alle wollen oder können sich Informationen im Internet suchen. Daher müsse weiterhin das Angebot von Materialien in Papierform (Flyer o.ä.) aufrechterhalten werden. Doch trotz dieser beiden Angebotsvarianten müsse immer noch an der Barrierefreiheit gearbeitet werden. Insbesondere Frau Berking machte darauf aufmerksam, dass es auch unter PatientInnen Analphabeten gibt, die diese Angebote nicht nutzen können. Auch das Übersetzen in weitere Sprachen ist ein wichtiger Baustein, um Informationen allen Bevölkerungsgruppen in Deutschland zugänglich zu machen.

Nach der Mittagspause stellte Claudine Strehl von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) den UV-Index und seine Bedeutung vor. Er wurde 2002 von der WHO eingeführt mit dem Ziel, dass durch ein einfaches Werkzeug UV-Strahlungslevel auf der Erdoberfläche und das damit verbundene Schädigungspotential beschrieben werden kann. Gleichzeitig sei damit die Informationen über die empfohlenen Schutzmaßnahmen verbunden. Der UV-Index lässt sich in Stufen von 1-11 einteilen, wobei die Skalierung nach oben offen ist. Die Messung bezieht sich jeweils auf die Wirksamkeit der Sonnenstrahlen auf eine ebene Fläche. Der UV-Index wird entweder gemessen (bodennahe Messungen) oder aus Satellitendaten modelliert. Somit geben die Vorhersagen des UV-Index an, welcher Höchstwert der sonnenwirksamen UV-Strahlungen für den Tag zu erwarten sind.

Ein Problem sei aber die Sichtbarkeit des UV-Index in der Öffentlichkeit, auch sei der UV-Index noch nicht in der Hautkrebsprävention angekommen. Daher müsse er mehr beworben werden. Als Beispiel hierfür sei die Aktion der Deutschen Krebshilfe mit der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Prävention (ADP) und weiteren Institutionen zu nennen: Im Sommer 2022 wurde am Timmendorfer Strand eine Sun Safety Flag aufgehangen, die Informationen über den aktuellen UV-Index und die daraus resultierenden Verhaltensweisen angab (Pressemitteilung).

Claudine Strehl (DGUV), Dr. Cornelia Baldermann (Bundesamt für Strahlenschutz) und Prof. Mark Berneburg (Universitätsklinikum Regensburg) machten in der anschließenden Diskussionsrunde deutlich, dass bereits heute das deutsche Gesundheitssystem unter einer hohen Belastung durch die Unachtsamkeit und das fehlende Wissen im Bezug auf den Sonnenschutz früherer Jahre steht. Das Alltagsverhalten der Menschen lässt Gedanken um einen adäquaten Sonnenschutz oft nicht zu. Daher müsse hier mehr Aufklärung betrieben werden, um Schutzmaßnahmen in den Alltag zu integrieren. Eine Lösung hierfür wäre, den UV-Index zusammen mit den Wetternachrichten in Funk und Fernsehen zu veröffentlichen. Dabei ist es wichtig, dass eine einfache Botschaft gesendet wird, denn nur damit kann die große Masse erreicht werden. Weiterhin können digitale Anwendungen, wie die App SunSmart, bei der Prävention unterstützen, die den Nutzern ihre Sonnenschutzzeiten anzeigt. Aber neben dem privaten Bereich müssen auch die Arbeitgeber für den Sonnenschutz ihrer MitarbeiterInnen sensibilisiert werden und entsprechende Maßnahmen umsetzen. Die aktuelle Klimakrise macht einen effektiven Sonnenschutz wichtiger denn je und kann helfen, eine positive Verhaltensänderung bei der Bevölkerung zu bewirken.

Da das gesetzliche Hautkrebsscreening mit einem Arztterminmangel, langen Wartezeiten und der nicht vorhandenen flächendeckenden Versorgung zu kämpfen hat, widmete sich Dr. Ralph von Kiedrowski (BVDD) im letzten Vortrag des Tages dem Thema „Diagnostik, Smartphone Apps und Künstliche Intelligenz“. Hierbei ging er der Frage nach, ob die Digitalisierung diese Missstände beheben könne. Weltweit gibt es bereits über 100.000 dermatologische Onlineangebote und auch in Deutschland sind oft Videosprechstunden Bestandteil der Behandlungsangebote, auch wenn die Angebotsrate hierzulande sehr unterschiedlich ausfällt. Einen größeren Zulauf haben daher teledermatologische Konsultationen: Auch hier gibt es die Möglichkeit, ein dermatologisches Problem kurzfristig und ohne einen Praxisbesuch online über eine App zu schildern und eine Handlungsempfehlung zu erhalten. Diese Form sei laut Herrn von Kiedrowski auch einfach in die Praxis einzubinden, da bei einem empfohlenen Arztbesuch dem behandelnden Arzt bereits Daten und Fotos zur Verfügung stehen. Trotzdem stelle sich die Frage, ob diese Onlineangebote evident sind. Ein Test der Stiftung Warentest von Hautscreening-Apps kam zu dem Ergebnis, dass diese Apps nicht den Besuch beim Hautarzt ersetzen, aber durchaus ein erster Schritt davor sein können. Die Dermatologie ist nun an der Schwelle, dass Künstliche Intelligenz (KI) bei der Diagnose eine wichtige Rolle spielen wird. Natürlich muss sie erst zu einem gewissen Standard werden und wenn die KI zum Facharztstandard wird, stellt sich die Frage, wie sie in die reale Versorgung zu integrieren ist. Daher sei es wichtig, dass sich die hiesige Berufsgruppe damit befasst, und auch KI in ihr bisheriges Behandlungsschema eingliedert. Auch die rechtliche Implementierung wird und muss folgen., Dennoch wird die Aufklärung und Dokumentation durch die ÄrztInnen zukünftig wichtig und unabdingbar bleiben, auch wenn neue Applikationen nach und nach in das ärztliche Handeln eingefügt werden.

In der Diskussion mit Dr. Ralph von Kiedrowski (BVDD), Prof. Holger Hänßle (Universitätsklinikum Heidelberg), Dr. Max Tischler (OnlineDoctor) und Prof. Anja Mehnert-Theuerkauf (Universitätsklinikum Leipzig) wurde angemerkt, dass bei vielen digitalen Gesundheitsanwendungen die Verknüpfung zum Arztbesuch fehlt. Zudem gibt es Schwierigkeiten, seltene Tumore zu erkennen, weil hier die Trainingsdaten fehlen. Trotzdem stehen bereits jetzt viele PatientInnen der Entwicklung KI-basierter Tools sehr aufgeschlossen gegenüber. Neben der Patientenseite müssen auch die Ärztinnen und Ärzte für die neue Entwicklung sensibilisiert werden, denn auch sie brauchen eine ständige Weiterbildung digitaler Kompetenzen, um die KI einschätzen zu können und zu wissen, wo ihre Grenzen der KI liegen.

Fazit: Die 9. NVKH erwies sich erneut als fruchtbares Forum des Austausches und der lebhaften Diskussion für die unterschiedlichen Akteure in der Hautkrebsprävention und -versorgung. Die Organisatoren danken den Förderern und Sponsoren für die finanzielle Unterstützung der 9. Nationalen Versorgungskonferenz Hautkrebs:

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Im nächsten Jahr feiern wir mit der 10. Versorgungskonferenz das zehnjährige Jubiläum der NVKH. Die Veranstaltung wird am 8. und 9. Februar 2024 stattfinden. Weitere Informationen hierzu werden wir zu gegebener Zeit auf unserer Webseite veröffentlichen.